Von begrenzten Freiräumen und gewonnenen Zeiträumen

von Mai 1, 2020

Corona 

Was schreibe ich über uns auf dem Vauß-Hof und die Corona-Pandemie? Mal sehen, erstmal verdrücke ich den letzten Schoko-Osterhasen. Überhaupt brauche ich zur Zeit unverhältnismäßig viel leckeres Essen, ob das anderen wohl auch so geht? Auf Instagram sehe ich auch viele backende und kochende Familien, aber vielleicht ist das auch der Algorithmus. Zurück zum Thema. Meine Gedanken sind sich mehr als uneins bezüglich diesem Corona und der derzeitigen Situation. 

Einerseits Angst um Großeltern und Vorerkrankte, andererseits das Beruhigen der Kinder, dass sie nicht sterben werden. Auf der einen Seite gewonnene Familienzeit, auf der anderen Seite liegen die Nerven blank. Einerseits begrenzte Freiräume und andererseits gewonnene Zeiträume. Auf der einen Seite wirtschaftlicher Erfolg und auf der anderen Seite wirtschaftlicher Ruin. Alles liegt derzeit so nah beieinander wie noch nie, auch bei uns. 

Aber vielleicht fange ich ganz vorne an, bei uns als Hofgemeinschaft. Wir leben hier auf dem Hof sehr eng mit 7 Erwachsenen und 8 Kindern zusammen. Schon bald war uns klar, wir halten das zusammen durch. Eine andere Möglichkeit haben wir auch gar nicht: Wir essen gemeinsam, nutzen Bäder, Autos, Waschmaschine und Co. gemeinsam. Unsere Haushalte zu trennen, das wäre gar nicht so einfach möglich gewesen. Jetzt sieht es von außen trotzdem so aus, als würden wir jeden Tag einen Kindergeburtstag feiern und unsere Mahlzeiten sehen nach Familienfesten aus. Unsere Nachbarin Marianne verteidigt uns gegen das Gerede der Leute, die sagen „Da finden Veranstaltungen statt“, tapfer mit, „Nein, das sind nur die Hof-Kinder, die dort leben.“ Ich kann mir geradezu vorstellen, wie Großfamilien schief angesehen werden zur Zeit. Auch wir machen Fahrradtouren lieber nur noch in Kleingruppen. 😉 Andererseits freue ich mich darüber, das wir Platz haben und die Kinder sich gegenseitig als Spielkameraden, das schafft auch uns Erwachsenen immer mal wieder Luft. 

Schule auf dem Hof

Ich bin auf dem Hof vor allem für das landwirtschaftliche Büro zuständig. Homeschooling und ein landwirtschaftlicher Betrieb lassen sich nur bedingt vereinbaren, das habe ich schon nach der ersten Woche gemerkt. Meine Güte, ich bin wirklich keine geborene Lehrerin, meine Schulkinder waren tatsächlich hoch motiviert, ich glaube das war mein Glück. Trotzdem sind Rechnungen liegengeblieben und Mails unbeantwortet. Naja, es wird anderen genauso ergehen, so tröste ich mich in dieser Zeit. Andererseits lernen unsere Kinder unglaublich viel, sind mit auf dem Feld und im Stall unterwegs, helfen Kochen und Saubermachen, kennen die Regeln aller unserer Brettspiele auswendig und denken sich verrückte Dinge aus. Außerdem skypen, zoomen und „videokonferenzen“ sie mit Klassen- und Kindergartenkameraden und der entfernten Familie irgendwie auch cool. Und sonst so auf dem Hof?

Frühlingsgefühle?!

Immerhin ist Frühling und es gibt ohne Ende zu tun, wie eigentlich immer bei uns. Mein Mann sitzt auf dem Trecker, hilft Kälbern auf die Welt und Corona spielt, so scheint es, erstmal keine Rolle. In der Landwirtschaft gibt es bei uns tatsächlich die wenigsten Veränderungen. Und das Tut so gut, einfach draußen zu sein, die Tiere zu versorgen und vor sich hin zu arbeiten. Weg vom zur Zeit einzigen Gesprächsthema. Ich glaube das gibt hier gerade die meiste Energie, auch für neue Ideen und Projekte. Ich poste zur zeit viel über unsere Tiere auf Instagram und die Familien aus der Nähe schauen tatsächlich regelmäßig auch live bei den Rindern vorbei.

In der solidarischen Landwirtschaft sind unsere Mitglieder die Erntehelfer. Auch da haben wir Glück, weil uns die Beschränkungen nicht wirklich treffen. Klar gibt es Maßnahmen, so ist bei der Abholung ein Mindestabstand einzuhalten, usw., aber auf dem Acker ist Platz genug um sich aus dem Weg zu gehen, alles läuft seinen gewohnten Gang. Gerade bekomme ich die E-Mail mit der Einladung beim Kartoffeln pflanzen zu helfen, so wie jedes Jahr im April. Ich habe den Eindruck auch den SoLawi-Mitgliedern tut es gut draußen zu sein und in der Erde zu wühlen. 

Und dann überlege ich, ist nicht alles gut? Bringt uns die Krise  nicht zurück zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein und Regionalität? 

Es ist ruhig auf dem Hof

Naja, ein Bereich bei dem genau das unsere Schwerpunkte sind, ist seit Corona quasi gestorben: die Pädagogik! Die Bauernhofpädagogik, die unser neu gegründeter gemeinnütziger Verein langsam übernehmen sollte, gibt es gerade nicht mehr. Bis Anfang März hatten wir täglich Veranstaltungen. Und jetzt dürfen uns keine Schulklassen bis mindestens zu den Sommerferien mehr besuchen, die Kindergeburtstagsfeiern bei uns sind alle abgesagt und die Jahreszeitenwerkstätten ebenso, mal sehen wie lange. Die ersten Termine konnten noch verschoben werden. Die ersten 2 Mitarbeiterinnen der Pädagogik sind in Kurzarbeit und sitzen Zuhause. Es ist nichts zu tun. Und das in einem Bereich, an dem so viel Herzblut hängt. Ich mag gar nicht mehr darüber schreiben, mir fehlt das Gewusel auf dem Hof, ganz zu schweigen von den Einnahmen durch die Veranstaltungen. Auch unser Sommer für Nachhaltige Entwicklung mit Café und Elektromobilitätstag, Tag der offenen Tür, Abendveranstaltungen und Co. steht so ziemlich auf der Kippe. Wer weiß ob unser Apfelfest im Oktober stattfinden kann. Aber jetzt Ende mit dem Trübsal blasen.

Auf geht’s!

Platz für Ideen! Wir promoten unseren Hofladen, als Perle der Region. Und wir sind zufrieden, der Laden brummt und wir bekommen viel Unterstützung. Letztens hieß es doch tatsächlich „Ohne Corona hätten wir euch gar nicht gefunden!“ Da hatte uns ein Ehepaar auf der Website regional-genial.de entdeckt, die die Stadt Salzkotten ins Leben gerufen hat um den lokalen Einzelhandel zu unterstützen. Wie schön! 

Unser Newsletter wird jetzt gespickt mit naturpädagogischen Ideen für Zuhause, quasi zum Natur erleben vor der Haustür. Wir reizen die social media Kanäle aus und nehmen euch von Zuhause aus mit auf den Hof und wer weiß was uns sonst noch so einfällt.

Und abschließend:

Vielleicht ist die Mischung aus Normalität und Ausnahmezustand hier am Hof unser Glück in dieser verrückten Zeit. 

Ich hoffe ihr da draußen kommt uns ganz bald alle wieder besuchen! Bis dahin: bleibt gesund!

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